Mit den neusten Nachrichten schafft sich Microsoft keine Freunde in der Schweiz: Die Xbox One kommt erst 2014. Wann? «So früh wie möglich», heisst es unverbindlich in der Pressemitteilung. Diese enttäuschende Mitteilung reiht sich in einen Reigen von Fehleinschätzungen des Marktes und anschliessenden Kurskorrekturen von Seiten des Software-Hauses aus Redmond. In der Regel fielen letztere positiv aus, aber in diesem Fall nicht, hiess es doch noch im Juni an der Electronic Entertainment Expo E3 in Los Angeles, dass weltweit im November in den 21 Regionen gestartet werden wird. Nun sind es bloss 13.
Die Zeit nach dem Debakel an der E3 war hart für Microsofts Xbox-Team. Kaum eine Woche verging, ohne dass aus Redmond eine Korrektur des im Rahmen der Xbox-One-Präsentation Gesagten erfolgte. Auslöser für die Rückzieher waren primär die von Konkurrent Sony gemachten Ankündigungen zu ihrer Next-Generation-Konsole Playstation 4: Diese sah im Vergleich zu den Digital-Rights-Management-Vorkehrungen der Xbox One keine Einschränkungen beim Tausch und Wiederverkauf von PS4-Games auf Blu-Ray-Discs vor sowie keine permanente Online-Anbindung. Sonys Botschaft war simpel und einfach: Wir geben den Gamern, was sie wollen.
Dieser Devise folgte Microsoft beim letzten Generationenwechsel. Die Lernschritte, die zwischen der ersten und zweiten Xbox gemacht wurden, waren so eindrücklich wie erfolgreich. Sony musste in den letzten Jahren vom hohen Playstation-Ross steigen, vermochten doch die Verkaufszahlen der Playstation 3 keineswegs mit dem Vorgänger mithalten. Die Nummer 4 soll das Blatt nun wieder wenden, und die Chance stehen gut, denn dieses Mal haben die Japaner den Fans zugehört und nicht die Amerikaner.
Doch wie gesagt, Microsoft hält nicht stur an den gemachten Ankündigungen fest. Anfang Woche wurde bekannt, dass die Xbox One auch ohne Kinect-System verwendet werden kann. Die Kinect-Steuerung, eine Kombination aus Kamera- und Mikrofonkomponenten um die Xbox allein mit Gesten und Sprachbefehlen zu steuern, kam unter Beschuss, weil im Zeitalter von Prism und Tempora Lauschangriffe im Wohnzimmer befürchtet wurden. Engagierte Spieler erachteten den Kinect-Zwang als unnötigen Kostenfaktor. In der Tat hat Microsoft die markante Differenz von 180 Franken zum Playstation-4-Preis von 450 Franken oft mit den Möglichkeiten der Kinect begründet.
Für heute Donnerstag wurde eine wichtige Mitteilung durch Chris Lewis, Chef von Xbox Europa, angekündigt, doch bevor es zum offiziellen Auftritt kam, fand die enttäuschende Botschaft in die Öffentlichkeit: Die Xbox One wird im November 2013 in Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien, Irland, Österreich, USA, Kanada, Mexiko, Brasilien, Australien und Neuseeland erscheinen. In der Schweiz, Belgien, Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Norwegen, Russland und Schweden wird die Konsole so früh wie möglich im Jahr 2014 lanciert.
Ein weiteres Mal scheint Microsoft ihrem Konkurrenten in die Hand zu spielen. Das britische Fachmagazin Edge hatte bereits vor Wochen Playstation 4 als die Konsole der Zukunft ausgerufen und Microsofts Xbox One den Ruin prophezeit. Nun gilt es abzuwarten, wie Sony auf diese Ankündigung reagiert. Verlieren können sie nicht.
Tragischer aber erscheint die weitere Marginalisierung des Schweizer Marktes durch den Entscheid. Es ist absehbar, dass die Schweizer Gamer nicht zuwarten, sondern über Grauimporte die Xbox One beschaffen werden, schliesslich ist sie im umliegenden Ausland lieferbar. Die Folge ist absehbar: Die Schweizer Verkäufe werden auf die Konten Deutschlands, Österreichs und Frankreichs gehen. Wenn es im kommenden Jahr zur offiziellen Markteinführung kommt, werden die Hardcore-Fans fehlen, die Verkaufszahlen enttäuschen und dem Entscheid, die Schweiz erst 2014 zu beliefern, Recht geben.
Das mag nun gar pessimistisch klingen, aber die Entscheidung Microsofts, die Technologie affine Schweiz zum Launch aus der DACH-Region zu kippen, ist eine paradoxe Bestätigung des Trends, der sonst in der Integration unseres Landes in die Marketing-Region DACH wiedergegeben ist. Als kleines Land mit verschiedenen Sprachen haben wir in einer globalisierten Marktwirtschaft, in der Umsatzzahlen regieren, keine Chance und deshalb kaum mehr Platz. Wir werden vielmehr dem grossen Kanton im Norden angegliedert. Dass dies auf Kosten der Identität und der Charakteristika unseres Landes geht, zeigt sich im Kino, wo seit längerem kaum noch Originalversionen, sondern fast ausschliesslich deutsch synchronisierte Fassungen programmiert werden. Das Gleiche gilt übrigens für Games, die «lokalisiert» werden. Von den Originalstimmen ist immer weniger zu hören.