Die Schweizer Game-Entwickler haben mit Ludicious ihr eigenes Festival mit einem atraktiven Konferenzprogramm, aber sind sie bereit für den nächsten Schritt? Nebst dem offensichtlichen Design-Talent gilt es nun die Vermarktungsfähigkeiten zu verbessern, um eine selbsttragende Game-Industrie zu etablieren.
Am vergangenen Wochenende ging auf dem Zeughaus-Areal der Stadt Zürich mit Ludicious, das erste Schweizer Game Festival über die Bühne, das sich mit einem breit angelegten Konferenzprogramm und einer Preisverleihung an ein professionelles und internationales Publikum wandte. Mit von der Partie war auch das GameZ-Festival, dessen Veranstalter aus den Kreisen der ZHdK etwas trotzig für sich in Anspruch nehmen, das erste Game-Festival gewesen zu sein. Tatsächlich fand bereits 2013 im Kunstraum Walcheturm eine Präsentation Schweizer Game-Schaffens statt, doch die für ein Festival kritische Aufmerksamkeit und Breitenwirkung erreichte GameZ leider nicht. Sinnvollerweise ist es nun ein Schwerpunkt von Ludicious, das die Kräfte der lokalen Videospielindustrie zu einen sucht, um ihr das nötige Gewicht zu geben.
«Ich bin zufrieden», sagt ein ziemlich abkämpfter Festivalleiter Dominik Marosi, der viel daran setzte, dass die verschiedenen Game-Exponenten am gleichen Strick ziehen. «Natürlich gibt es noch tausende von Dingen, die man besser machen kann, aber wirklich grobe Schnitzer sind uns zum Glück nicht unterlaufen.»
Den Auftakt machte die Preisverleihung des Swiss Game Award, der durch die Swiss Game Developers Association SGDA bereits zum zweiten Mal verliehen wurde. Die Award-Gala zeigte die Höhepunkte Schweizer Videospielschaffens der vergangenen Monate. Zur Eröffnungs wandte Stadtpräsidentin Corine Mauch an die versammelte Gamer-Gemeinde, die sich wie im Jahr zuvor artig in Schale geworfen hatte. In seiner witzigen und ebenso schweisstreibenenden Laudatio lobte ein voll befrackter und mit Zylinder ausstaffierter Steffen Walz, Leiter des GEElab in Karlsruhe und Melbourne, das hiesige Game-Schaffen und wies darauf hin, dass die Idee einen Lehrgang an der ZHdK einzuführen vor weit über 10 Jahren ihren Ursprung hatte. Inzwischen hat der Lehrgang unter der kundigen Leitung von Ulrich Götz 100 Bachelors (davon 25 Damen!) und 12 Masters, auch hier ein Viertel weiblich, hervorgebracht. Die Auszeichnung «Spiel des Jahres» aber holte sich der ehrgeizige und von Swiss Re ermöglichte Titel «Perils of Man» des Newcomer-Studios IF Games aus Erlenbach bei Zürich (NZZ vom 27. Februar 2014).
Kernstück von Ludicious ist das Konferenzprogramm, das in die Themenfelder «Game, Business & Marketing» und «Design & Development» aufgeteilt ist. Die amerikanische Journalistin und Beraterin Leigh Alexander prangerte in ihrem Plädoyer für die Independent-Spiele die Risikoscheu der Majors an und bezichtigte sie gar der «kulturellen Inzucht», um dann gleich korrigierend nachzuschieben: «Nur weil etwas ein Indie-Game ist, ist es noch lange nicht Kunst.» Mit dem Hinweis, dass Konsumenten Lust auf neue Spielformen haben, machte sie den lokalen Spielentwicklern Mut, ihre Visionen zu verfolgen: «Hochauflösende Grafiken und Immersion sind nur ein Weg für ein Spielerlebnis. Abstraktion hat durchaus Platz im ludischen Umfeld», ist Alexander überzeugt und wies darauf hin, dass beschränkte Ressourcen «ein verborgener Segen» sein können, denn Not macht bekanntlich erfinderisch. So sehr die Fachjournalistin der Independent-Szene ein Kränzchen wand, so unmissverständlich war ihre Forderung an die Adresse der Ausbildungsstätten: «Öffentlichkeitsarbeit und Marketing sind ein Muss und gehören in den Stundenplan.»
Wie zentral das Verständnis für den Markt in Zeiten der Aufmerksamkeitsökonomie ist, zeigte auch Chris Bergstresser, der ehemalige Geschäftsführer der populären Online-Spiele-Plattform Miniclip mit Sitz in Neuenburg. «Da draussen gibt es viel Lärm und Müll», sagte der erfahrene Manager. «Um gehört zu werden, muss man eben lauter rufen.» Was nach einer einfachen Losung klingt, erweist sich in einer Welt von eher introvertierten Programmierern und scheuen Designern als grosse Herausforderung. Verschärft wird diese durch eine helvetische Zurückhaltung, die aber gerne überkompensiert wird. Darum betont der Kalifornier Bergstresser wiederholt in seiner Präsentation: «Selbstbewusstsein, nicht Arroganz ist gefragt.»
Wer mit lokalen Entwicklern spricht, hört nicht selten ein Lamento, in dem sich Klagen über mangelnde Akzeptanz mit Ignoranz über die herrschenden Marktverhältnisse und Überheblichkeit gegenüber der internationaln Konkurrenz vermischen. Zweifelsohne braucht das hiesige Game-Schaffen nicht den Vergleich zu scheuen und konnte mit Einreichungen aus Frankreich, den USA, Deutschland oder Australien mithalten. Beim Internationalen Wettbewerb ging der Ludicious-Award an den französischen Game-Designer Ahmed Majdoubi, der mit «Tale of Two Worlds» ein sehr weit gereiftes Adventure-Game, das zwischen einer magischen und Alltagswelt spielt, vorlegte.
Eine löbliche Erwähnung erhielt «Expand» des australischen Game-Künstlers Chris Johnson. Das brillante Puzzle-Game fällt in die rare Kategorie: Schnell zu begreifen, ewig zu meistern.
Im Falle von «Tower Offense» des früheren ZHdK-Studenten Robin Bornschein sicherte sich der Schweizer Titel völlig zu Recht den Ludicious-Award des internationalen Studenten-Wettbewerbs.
Aber mit Preisen allein wie sie Schweizer Game Designer auch international immer wieder einheimsen, lässt sich keine Industrie gross zu ziehen. «Viele Studiumsabgänger gehen zu 80 Prozent einer Arbeit nach, 20 Prozent werden in die Fertigstellung ihres Spiels gesteckt. Das ist reine Produktentwicklung», sagt Professor Pietro Morandi, Leiter des Inkubators an der ZHdK. «Doch so bleiben weder Energie noch Ressourcen übrig zum Aufbau eines Geschäftsmodells, was auf dem Platz Schweiz fehlt.» Chris Bergstresser sieht es ähnlich: «60 Prozent meiner Start-up-Zeit gingen mit dem Charmieren von Investoren drauf, 40 Prozent konnte ich in die Game-Entwicklung stecken.»
Mit der Einführung von so genannten Inkubatoren haben die Zürcher Hochschule der Künste ZHdK und die Haut Ecole d’Art et de Design HEAD, Genf, auf die Anforderungen des Marktes reagiert und bieten ihren Abgängern Unterstützung bei der Gründung und Postitionierung ihrer Start-ups. «Aktuell haben wir zwei Serious-Game-Projekte in Arbeit», sagt Morandi. Für diese Form von Spielen ist es in der Schweiz einfacher Investoren zu finden als für reine Unterhaltungstitel: «Wenn es um eine Software geht, die beispielsweise zur Verbesserung der Fitness von Jugendlichen beitragen soll, so verstehen dies Investoren aus dem Med-Tech-Bereich und der Kommission für Technologie und Innovation KTI. Vergleichbares ist bei reinen Unterhaltungsspielen nicht gegeben.» Über diesen niederschwelligen Weg hofft nun Morandi, den Boden für eine grössere Game-Industrie zu schaffen, in der später auch Entertainment-Titel Unterstützung finden werden.
Corrigendum, 30.09.2014: Das GameZ-Festival ist kein Schwerpunkt von Ludicious, sondern ein unabhängiges internationales Festival.