Star Wars ist die stärkste Unterhaltungsmarke weltweit. Seit 40 Jahren erobern die Jedi-Ritter mit ihren Laserschwertern und Raumschiffen Generation um Generation. Dahinter steckt akribische Planung und nicht ein glücklicher Zufall.
«Dies ist die Geschichte von Mace Windu, einem hoch geachteten Jedi Bendu von Opuchi und Verwandten von Usby C. J. Thape, einem Padawaan-Schüler der berühmten Jedi.» Wenn Sie nach diesem Satz nur Bahnhof verstanden haben, dann sind Sie in bester Gesellschaft. Bei der privaten Vorvisionierung von «Star Wars» 1977, bei der unter anderen die späteren Star-Regisseure Steven Spielberg und Brian De Palma zugegen waren, stiess das Fantasy-Gefasel auf wenig Begeisterung. Schonungslos teufelte De Palma auf seinen konsternierten Kollegen George Lucas ein: «Vergiss diesen Jedi-Bendu-Scheiss. Das versteht niemand.»
Joseph Campbells Monomythos
Lucas kappte in der Folge das Geschwurbel und stieg dort in seine Geschichte ein, wo die Action war. In «Episode 4 – A New Hope», erst später so benannt, denn damals glaubte der bärtige Filmemacher selber nicht daran, dass «Star Wars» ein Erfolg werden würde. Dem Jungregisseur schwebte eine Mischung aus den Filmen und TV-Serien seiner Jugend vor. Es sollte sein «Flash Gordon Ding» werden. Auf der Suche nach Inspirationen frass sich Lucas durch Science-Fiction-Romane alter und neuer Autoren. Doch es sollte keine kühle Zukunftsvision werden, eher ein intergalaktisches Märchen, in das Elemente aus Grimms Märchen, C.S. Lewis’ «Narnia Chronicles» und J.R.R. Tolkiens Werken einflossen. Er las griechische, islamische und indische Mythologie, aber kein Buch beeinflusste den jungen George Lucas mehr als Joseph Campbells Mythen-Analyse «Hero with a Thousand Faces».
Lucas schlürfte Campbells These auf, dass die wichtigsten Mythen rund um den Globus, die Jahrtausende überdauert haben, eine fundamental-gemeinsame Struktur teilen. Campbells Monomythos in der Interpretation von George Lucas lautet: «Der Held (Luke Skywalker) zieht aus seiner gewohnten Umgebung (Wüstenplanet Tatooine) aus und begibt sich in eine Region des Übernatürlichen (Jedi-Ritter, Raumschiffe, fremde Planeten). Er begegnet unglaublichen Mächten (Darth Vader, die Macht und die dunkle Seite der Macht) und erringt einen entscheidenden Sieg (zerstört den Todesstern). Der Held kehrt von seinem mysteriösen Abenteuer zurück mit der Kraft, seinen Menschen Glück zu schenken (Feier am Hof von Prinzessin Leia, das üble Imperium ist zurückgeschlagen).»
Das Star-Wars-Drehbuch war eine Zangengeburt
Wenn nun Luke-Skywalker-Darsteller Mark Hamill in einem Interview sagt: «Ich habe keine Ahnung, warum ‘Star Wars’ und Luke so ikonisch sind.» Dann mag das sympathisch und bescheiden sein, verkennt aber die Akribie mit der George Lucas sein Drehbuch auf möglichst grosse Breitenwirkung anlegte, etwas, das ihm aber nicht leicht fiel. Der junge Filmemacher mit dem Plan, auf seine Weise Hollywood zu erobern, setzte sich selber unter einen gewaltigen Erfolgsdruck. Jeder Satz, so erinnert sich Lucas später, sei eine Zangengeburt gewesen. «Jede Zeile musste schreiend und strampelnd unter Schmerzen herausgezogen werden», zitiert ihn Garry Jenkins im Buch «Empire Building».
Doch das Leiden Lucas’ zahlte sich aus. Noch heute gilt «Star Wars» als der heilige Gral des Entertainments. Keine andere Marke – nicht einmal James Bond, der zwar auf eine längere (Kino-)Geschichte zurückblicken kann – ist so erfolgreich und das auf den verschiedensten medialen Plattformen und anderen Ebenen. Das Wirtschaftsmagazin Forbes vergleicht den Gesamtwert von Star Wars mit dem Bruttosozialprodukt von Ländern wie Jordanien oder Paraguay, die 2014 kleiner ausfielen. Gemäss den Marktanalysten von NPD Group setzte die intergalaktische Franchise 2016 über 760 Mio. Dollar um, 60 Mio. Dollar mehr als im Vorjahr. Vom Umsatz betrachtet ist Star Wars die stärkste Spielzeugmarke der Welt. Das half auch Lego, die im vergangenen Jahr den höchsten Umsatz in der 85-jährigen Unternehmensgeschichte verbuchten. Lego führte über 350 neue Produkte ein. Von diesen war das Star-Wars-Raumschiff Millenium Falcon der Bestseller Nummer Eins und das bei einem Preis von rund 500 Dollar. Aktuell kostet ein Original-Bausatz der Ultimate Collectors Serie auf Amazon 4500 Euro.
Ralph McQuarrie, der Vater von Darth Vader
Betrachtet man das Raumschiff Millennium Falcon, so entspricht es nicht den gängigen Konventionen. Trotz seiner flachen Tropfenform ist es leicht asymetrisch und plump. Das Special-Effects-Team verpasste ihm Ende der 70er-Jahren auch den Übernamen der «fliegende Hamburger».
Der Millennium Falcon ist aber nur ein Beispiel der eigenwilligen Designs von Illustrator Ralph McQuarrie, der den Look von Star Wars geprägt hat wie kein anderer. So gehören auch die X-Wing Starfighters mit ihren spreizbaren Flügeln, die kugeligen Tie-Fighters und die beiden Droiden R2-D2 und C-3P0 dazu: «Wenn meine Worte nicht ausreichten, um meine Ideen zu erklären, konnte ich immer auf eine Illustration von Ralph zeigen und sagen: ‘Macht es so.’», sagte George Lucas einmal über die wertvolle Arbeit des 2012 verstorbenen Ralph McQuarrie.
So kombinierte der brillante Concept Designer einen schwarzen Samurai-Helm mit einem schwarzen Atemgerät und Visier, die an einen menschlichen Schädel erinnerten. Darunter flatterte ein schwarzer Umhang und umhüllte eine leichte Kampfrüstung: Darth Vader, der eindrücklichste Bösewicht des Universums, hat so Gestalt angenommen. Das Design ist derart einmalig, dass jedes Kind mit wenigen Strichen den unverkennbaren Fiesling hinkrakeln kann. Dann drückt man ihm noch ein Laserschwert in die Hand und der letzte Zweifel ist ausgeräumt, mit wem man es hier zu tun hat. Allen und jedem ist klar, dass hier Darth Vader steht und nicht irgendein Karnevalsplauschsack.
Diese einmaligen Wiedererkennungsmerkmale heissen Neudeutsch «hooks», Haken. Sie krallen sich in der Erinnerung fest und helfen die Figur auf jeder medialen Plattform umgehend zu identifizieren. So kann Darth Vader ohne Probleme als Lego-Figürchen, in einem Comic, einem Animationsfilm oder eben auf einer Kinderzeichnung wiedererkannt werden. Schon schwieriger wird es bei Luke Skywalker. Er verfügt über keine besonderen Kennzeichen. Hält er ein Laserschwert in der Hand, dann ist schon zumindest klar, dass die Figur zum Star-Wars-Universum gehört.
Mit kindlichem Grössenwahn an die Spitze
Hooks sind für den Aufbau eines Transmedia-Produkts von fundamentaler Bedeutung. Noch vor Beginn der Dreharbeiten zu «Star Wars» sprach George Lucas bereits davon, zwei Läden zu eröffnen, die Star-Wars-Comics, aber auch dazu passende Kaffeetassen, Spielwaren und Modelle der Raumschiffe verkaufen würden. Dieser kindliche Grössenwahn liess erahnen, was Lucas vorschwebte, aber er konnte nicht ahnen, wie wichtig die Laserschwerter, der schwarze Space-Samurai und die seltsamen Raumschiffe Jahrzehnte später noch sein werden. Ohne solche Hooks verfangen die weiteren Teile eines transmedialen Storyversums nicht beim Publikum.
Zur Erklärung: Bei dem früher gängigen Crossmedia-Modell wird der gleiche Inhalt auf verschiedenen medialen Plattformen ausgewertet, was nicht sonderlich attraktiv ist. Zum Beispiel: «Harry Potter and Goblet of Fire» erscheint als Buch, Spielfilm und Videospiel – die Geschichte ist immer die selbe. Beim Transmedia-Ansatz hingegen, werden in sich abgeschlossene Teile auf dem besten dafür geeigneten Medium erzählt und fügen sich wie ein Puzzle zu einem narrativen Universum zusammen. Stehen beispielsweise mehr die psychologischen Aspekte einer Figur im Vordergrund, so bietet sich ein Buch besser an als ein Game, das den Nutzer handeln lässt.
Das Transmedia-Modell funktioniert nicht immer
Erfolgreiche Transmedia-Franchises wie Star Wars, Assassin’s Creed oder die Superhelden-Epen von Marvel Comics haben gemein, dass sie von einem Bestseller ausgegangen sind, der ein solides Fundament für den Aufbau einer Franchise ermöglichte. Kopfgeburten, die auf dem Reisbrett gleich als transmediales Storyversum entworfen werden, sind in der Regel ebenso zum Scheitern verurteilt wie Marken, die über keine Hooks verfügen.
Das Beispiel von Star Trek, in unseren Breitengraden als Raumschiff Enterprise bekannt, zeigt eindrücklich, warum es eine immens populäre TV-Serie nie wirklich geschafft hat, auf anderen medialen Plattformen Fuss zu fassen: Kirk und Co. haben keine Hooks. Spock hat zwar spitzige Ohren, aber ansonsten sieht er aus wie ein Mann mit Topffrisur, der ein enges Polyesterpyjama trägt. Und Captain Kirk eben auch und Bordarzt Pille sowieso. Klar ist das Raumschiff Enterprise unverkennbar, aber das reicht nicht. Die Figuren müssen auf einen Blick identifizierbar sein, damit sie auch Videogamer an die Grenzen des Univserums locken oder Comic-Leser auf ein Abenteur einladen.
Star Wars ist Familiensache
Für die Langlebigkeit einer Marke ist auch entscheidend, dass sie über die Dekaden unterschiedliche Demografien anspricht, um ein Kontinuum aufzubauen. Star Wars macht dies vorbildlich und ist gewissermassen Teil der Familie, wie es die kürzlich verstorbene Carrie Fisher, welche Prinzessin Leia in Star Wars verkörpert, in einem ihrer letzten Interviews zusammenfasste: «Viele der Leute, die ich treffe, zeigen die Filme ihren Kindern oder Enkeln. Sie teilen etwas, das sie in ihrer Jugend berührt hat. Es ist ein Universum, mit dem sie sich identifizieren können und das formt eine Gemeinschaft.»
Star Wars bietet für jede Altersgruppe Anknüpfungspunkte. Von Kindsbeinen an kann man sich mit den Lego-Bausätzen und Actionfiguren vertraut machen, die der Kino-begeisterte Vater unter den Weihnachtsbaum gelegt hat. Parallel dazu kann man am Fernsehen die Animationsserien verfolgen. Später geht’s als Familienausflug in den jüngsten Kinofilm, und als Teenie zieht man sich die Action-Videogames und Romane herein. Ist der Reigen transmedial aufgebaut, kann man als Fan in dieses Märchen «vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie» vollumfänglich eintauchen. Jedes Medium trägt eine eigenständige, ins sich abgeschlossene Facette zum Geschichten-Universum bei. Dabei muss akribisch darauf geachtet werden, dass sich die verschiedenen Erzählstränge nicht widersprechen. Gelingt dieses Kunststück, sind einer wohl etablierten Franchise kaum Grenzen gesetzt. Nur eines darf man nicht: Die Fans für dumm verkaufen. Denn so leidenschaftlich sie einer Geschichte folgen und dieser zu Höhenflügen verhelfen können, so erbarmungslos schlagen sie zurück, wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Passion nicht ernst genommen oder kommerziell ausgeschlachtet wird.
Jüngstes Beispiel wie schnell der Bogen überspannt werden kann, ist das kürzlich erschienene Videospiel «Star Wars Battlefront II». Wie bei einem Gratis-Handygame hätten bei diesem Computerspiel Helden wie Luke Skywalker, Darth Vader und Prinzessin Leia entweder mühsam erspielt oder gekauft werden sollen. Noch vor dem offiziellen Verkauf erntete Hersteller Electronic Arts einen Sturm der Entrüstung. Der Protest zeigte Wirkung und am Veröffentlichungstag entschuldigte sich das Studio bei den Fans und verzichtet auf die umstrittenen Verkäufe im Spiel. Die Gamer-Rebellen haben gegen das EA-Imperium gewonnen. Die Macht ist stark in der Fangemeinde.