Ein Patentrezept bitte

Im Umgang mit digitalen Medien und insbesondere Videospielen ist der Wunsch nach Patentrezepten gross. «Wie lange darf mein Kind spielen?» oder «Welches Spiel können Sie mir empfehlen?» sind gängige Beispiele von Fragen wie sie von Eltern und anderen Erwachsenen gestellt werden. So verständlich das Bedürfnis nach goldenen Regeln ist. Es gibt sie nicht, und das hat einen Grund.

Im Umgang mit digitalen Medien zeigt sich, dass Videospiele nach wie vor am meisten Mühe bereiten. Das hat vor allem damit zu tun, dass ihr primärer Zweck in der Unterhaltung und nicht einem leicht ersichtlichen Nutzen wie der Kommunikation, dem Aufbau eines Beziehungsnetzwerks oder schlicht der Beschaffung von Informationen dient. Spielen ist zweckfreies Handeln, Spiel ist unvernünftig, wie es der holländische Historiker und Kulturphilosoph Johan Huizinga einst umschrieb. Für solcherlei haben gestresste Eltern und Erwachsene keine Zeit und oft auch kein Interesse.

So verbleibt der Wunsch nach einer Spielzeit, in der sich Junior – die jungen Damen neigen weniger zu exzessivem Game-Verhalten – schadlos verlustieren kann. Die ZHAW empfiehlt beispielsweise folgende Richtlinien zur allgemeinen Bildschirmzeit – sprich Fernsehen, Surfen, Handynutzung oder Gamen:

• Kinder unter 3 Jahren gehören nicht vor den Fernseher – sie können von Fernsehbildern und schnellen Schnitten verunsichert werden. Altersgerechte DVD eignen sich besser, weil diese gestoppt und wieder angeschaut werden können.

• 3- bis 5-Jährige können bis zu 30 Minuten am Tag in Begleitung von Erwachsenen altersgerechte Bildschirmmedien nutzen.

• 6- bis 9-Jährigen reichen 5 Stunden Bildschirmzeit pro Woche.

•10- bis 12-Jährige sollten pro Woche nicht mehr als 10 Stunden vor dem Bildschirm verbringen.

Gegen diese allgemeinen Richtlinien ist kaum etwas einzuwenden, doch ein wichtiger Satz steht in der Einleitung zu diesen Empfehlungen: «Eine Stunde gamen pro Tag kann für ein Kind, das nebenbei Freunde trifft, Sport treibt oder Musik macht, problemlos sein. Für ein anderes Kind kann dagegen eine Stunde pro Tag zu viel sein.» Mit Blick auf einen ausgeglichenen Alltag, in dem Schule, Bewegung und Freunde ihren Platz finden, ist das absolut prima, doch ein entscheidender Aspekt geht verloren: Videospiele werden nicht passiv konsumiert wie Musik oder Film, sondern verlangen nach einer aktiven Auseinandersetzung, denn ohne Interaktion passiert nichts.

So gesehen hat das Spielen von Games mehr mit Sport zu tun und ist darum äusserst individuell und Tagesform abhängig. Was heisst das? Nehmen wir als Beispiel Ralph (6 Jahre). Er darf in der Krippe zusammen mit seinen Freunden gelegentlich ein Motorrad-Rennspiel zocken. Gestern war Ralph vorne mit dabei und hatte während 30 Minuten seinen Spass. Heute sieht die Sache – aus welchen für Gründen auch immer – anders aus. Bereits nach 10 Minuten ist Ralph genervt, flucht wie ein Rohrspatz, wirkt angespannt und aggressiv. Völlig zu Recht entschliesst sich die Krippenleiterin, Ralph aus der Game-Gruppe zu nehmen und mit etwas anderem zu beschäftigen. Wie es nächste Woche aussieht, kann niemand sagen, nicht einmal Ralph.

Videogames spielen ist ein hochgradig individuelles Erlebnis. Verschärft wird dieser Umstand durch die unterschiedlichen Inhalte. Naheliegender Weise macht es einen Unterschied, ob ich mich mit einem Puzzle-Spiel oder einem Shooter auseinandersetze. Beides kann Nerven aufreibend sein, aber aus ganz verschiedenen Gründen. Im Umgang mit Computerspielen empfiehlt sich schon alleine deshalb eine minimale Auseinandersetzung mit den Inhalten und deren Wirkungsweisen.

Und zum Schluss noch eine goldene Regel, die für alle Genres und jungen Leute Sinn macht: Gamen nach dem Abendessen ist doof, schliesslich geht die Zeit vom Schlaf ab und bis das Adrenalin aus dem System verschwunden ist, dauert es auch eine Weile. Gute Nacht.

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