Lass uns drüber reden – Kommunikation auf Online-Plattformen und in Games

An der Electronic Entertainment Expo E3, der grössten Computerspiele-Messe der Welt, die Mitte Juni in Los Angeles über die Bühne ging, zeigte sich einmal mehr, dass Videospiele keineswegs alleine, sondern mehrheitlich in Gruppen gespielt werden. Während Computerspiele das gemeinsame Spiel über eine Online-Verbindung schon früh ermöglichten und dem eigenbrötlerischen Dasein ein Ende setzten, ergänzte diese Option die Videospiele, die in Regel zu zweit oder gar zu viert am geteilten TV-Bildschirm im Wohnzimmer gespielt werden, erst Ende der 90er-Jahre.

Zu Beginn tauschte man sich über Chat-Spalten aus, ab 2000 – mit der Einführung der Spielkonsolen Playstation 2 und Xbox – erfolgte die Kommunikation über Voice-over-IP (VoIP), eine Technologie, die erst in den letzten Jahren die klassische Festnetztelefonie abgelöst hat. Oft wird kolportiert, dass First-Person-Shooter-Spiele wie Doom, Call of Duty und dergleichen, vom Militär eingesetzt werden, um Soldaten das Töten beizubringen. In der Tat hat die US-Armee 1996 eine modifizierte Version des Shooters Doom II in der Ausbildung eingesetzt, aber nicht um die Soldaten zu Killermaschinen zu machen, sondern um ihr strategisches und taktisches Vorgehen zu verbessern. Das Ziel von Marine Doom war es, die Kommunikation in den Einsatzgruppen und das Kooperieren zu verbessern.

Computerspiele sind ein hervorragendes Übungsfeld, um Kommunikationsformen zu trainieren. So zeigt sich in einem Tactical-Shooter wie «Ghost Recon: Wildlands», wo ab Frühjahr 2017 in vierer Teams Stützpunkte eines Drogenkartells ausgehoben werden können, dass es entscheidend ist, einen Anführer in der Gruppe zu haben. Dieser sollte über eine gewisse Erfahrung verfügen und das Vorgehen dirigieren. Fehlt eine solche Person, hühnert das Quartett orientierungslos in der Gegend herum und die Mission ist zum Scheitern verurteilt. Wie kein anderes Spiel zwingt der Schweizer-Puzzle-Titel «Schlicht» selbst zwei sich wildfremde Menschen zu einem Dialog, vorausgesetzt sie wollen zum Ziel kommen. 

So konstruktiv und unabdingbar offene und klare Kommunikation ist, so zerstörerisch kann sie sein, insbesondere wenn sich die Partien hinter einem Pseudonym verstecken können. Diese Anonymität funktioniert wie eine Maske an der Fasnacht. Sie lässt oft die Schattenseiten der Beteiligten hervortreten und das Niveau in diskriminierende Tiefen absinken wie Leserbeiträge auf Online-Portalen immer wieder beweisen. Angefeuert wird dieser heikle Mix bei Videospielen durch das oft kompetitive Umfeld. Ähnlich wie bei Fussball-Matches vermag das Niveau drastisch abzusacken.

Zu den unrühmlicheren Beispielen in Zusammenhang mit Videospielen gehört das so genannte Gamergate. Medienkritikerinnen wiesen auf die bisweilen stereotype Darstellung von Frauen in Games und altbekannte Erzählmuster hin wie die hilflose Prinzessin in Not, die auf ihren Retter wartet. Spielende, die sich seit der Killerspiele-Debatte in einer Verteidigungsposition sehen, fühlten sich ein weiteres Mal angegriffen und schlugen auf komplett verfehlte Art online zurück. Die massiven Drohungen, die von Spielenden gegenüber den Bloggerinnen und Medienwissenschaftlerinnen geäussert wurden, sorgten für Schlagzeilen und zu einem peinlichen Tiefpunkt in der Geschichte der Computerspiele.

Die Anonymität kann aber auch zu so genanntem Grooming missbraucht werden, dem gezielten Vertrauensgewinn von Minderjährigen in der Absicht, diese in einer nächsten Stufe zu sexuellen Handlungen zu nötigen. Pädophile haben das Gaming-Umfeld längst für sich entdeckt. Bei Plattformen wie Habbo, einer Online-Game-Gemeinschaft von rund 270 Millionen Kindern und Jugendlichen wendet, wird ein gehöriger Aufwand betrieben, um das Umfeld sicher zu gestalten: Über 225 Moderatoren kümmern sich täglich um rund 70 Millionen Konversationszeilen. Trotz dieser Vorkehrungen sah sich Habbo 2012 gezwungen, sämtliche Kommunikation vorübergehend stillzulegen und in der Folge restriktivere Sprachfilter- und Kontrollsysteme zu integrieren.

Nebst den Vorkehrungen von Seiten der Plattformbetreiber gehört es auch zur Medienkompetenzausbildung von jungen und alten Nutzern, sich bewusst zu sein, dass nicht jede Person, diejenige ist, als die sie sich online präsentiert. Das ist generell gültig und nicht bloss auf das Gaming-Umfeld beschränkt. In letzterem lassen sich aber Kommunikationsfähigkeiten und unterschiedliche Formen – Chat oder VoIP – in einem spielerischen Kontext pflegen und verbessern. Erlernen muss man sie anderweitig.

Dreii – Ist vielleicht einer zu viel

dreii

Die Möglichkeiten sich mit den beiden Mitspielenden zu verständigen, sind im mehrfach preisgekrönten «Dreii» des Schweizer Studios Etter eingeschränkt. Man kann zwar Grussworte und andere Begriffe einwerfen, aber nichts wirklich aussagekräftiges, das eine Absprache bei der Lösung der Konstruktionsrätsel helfen würde. «Dreii» macht deutlich, wie selbst eine einfache Aufgabe schwierig werden kann, wenn sich nicht mit einander verständigen kann, sondern auf den reinen Kooperationswillen beschränkt wird. iOS/Android/PC/PS4/PS Vita, 4 Franken

Counter Strike Global Offensive – Gemeinsam stark

cs_goZehn Millionen loggen sich in einem Monat in das virtuelle Räuber-und-Gendarme-Spiel oder eben Terrorist gegen Counter-Terrorist Szenario ein. CS GO zählt seit bald vier Jahren zu den beliebtesten Tactical-Online-Shooter-Titeln, die im Team gespielt werden und ist das vierte Kapitel der 1999 eingeführten Marke «Counter Strike». Je nach Szenario gilt es, Bomben zu entschärfen oder Geiseln zu befreien beziehungsweise selbiges zu verhindern. Taktisch überlegtes Vorgehen und eine damit einhergehende klare Kommunikation über Team-Speak (VoIP) unter den Gruppen-Mitgliedern sind die Schlüssel zum Erfolg. PS3, Xbox 360, PC und Mac.

Tinder – Kennenlernen ist ein Klick

tinderlogoIn den letzten Jahren hat die App Tinder die Dating-Landschaft massgebend geprägt. Die App greift auf das Facebook-Profil der 50 Millionen Nutzer zurück, um mögliche Interessen abzugleichen und nutzt den geografischen Standort der Suchenden, um in der Nähe weitere Tinder-User mit ähnlichen Vorlieben ausfindig zu machen. 38 Prozent der Nutzer sind zwischen 16 und 24 Jahre alt, der Hauptteil (45%) bewegt sich zwischen 25 und 34 Jahren. Im Vergleich zu Facebook nimmt der Anteil an Teenager-User zu. Über 80 Prozent der Nutzer sollen gemäss Tinder auf der Suche nach einer festen Beziehung und nicht nach einem One-Night-Stand sein.

Pokémon Go – Hey, einfach spontan

pokemon_go_logoDer wohl grösste Kommunikationsförderer der letzten Monate heisst Pokémon Go. Inzwischen jagen über 500 Millionen Menschen hinter den handlichen Monstren her und dabei kommt es zu spontanen Begegnungen, die früher bloss Rauchern – «Hast du mir mal Feuer, bitte?» – vorbehalten waren. Heute werden Mitjägern die Standorte von raren Pokémons en passant mitgeteilt und wie in den Anfangszeiten der Smartphones, wo early adapters die Bar-Konversation mit App-Sammlungsvergleichen bereicherten, werden heute die Pokédex-Einträge verglichen. iOS/Android

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