An der Electronic Entertainmen Expo E3 in Los Angeles hat Microsoft die leistungsstärkste Game-Konsole präsentiert, doch Sony ist keineswegs geschlagen.
Obschon das Geld im Videospielgeschäft mit den Games verdient wird – ähnlich wie beim Modell Drucker-Druckerpatronen –, gilt das Augenmerk gerne der Veröffentlichung von neuer Hardware. Diese Aufmerksamkeit konnte Microsoft an der Electronic Entertainment Expo E3, der grössten Videogame-Messe der Welt, Anfang Woche ungeteilt geniessen.
Zwar wurde das neue Modell Xbox One X bereits vor einem Jahr unter dem Arbeitstitel «Project Scorpio» angekündigt, doch in Los Angeles wurden erstmals Details offengelegt: Das Herz bildet ein 8-Core AMD-Prozessor, der mit 2.3 GHz getaktet ist . Sonys Playstation 4 Pro läuft mit einem 8-Core, 2.1 GHz getakten AMD-Prozessor. Als Arbeitsspeicher stehen der neuen Xbox 12 GB GDDR5 RAM zur Verfügung (PS 4 Pro: 8 GB DDR5, 1 GB DDR3). Pro Sekunde liefert die Xbox One X eine Rechenleistung von 6 Teraflops, die Playstation 4 Pro bleibt bei 4.2 Teraflops stehen. Beide Konsolen unterstützen eine 4K-Auflösung und HDR (High Dynamic Range) bei den Spielen. Mehr zum Zahlenvergleich hier.
Rückwärtskompatibel ist nur die Xbox One, nicht die PS4
Wichtig ist, dass es sich bei der Xbox One X nicht um eine neue Konsolengeneration handelt, sondern um eine Weiterentwicklung der bestehenden Hardware. Ausdruck davon ist, dass Microsoft Konsole im Vergleich zur Playstation 4 rückwärts kompatibel ist. Das heisst, es lassen sich Spiele früherer Konsolengenerationen wie der Xbox 360 darauf spielen. Das mag dem Nicht-Spieler seltsam erscheinen, doch auch bei den Games gibt es Klassiker, die vielleicht auf einer grafischen Ebene nicht mehr top sind, aber durch ihr Gameplay und ihren Spielspass nach wie vor begeistern.
Während Microsoft in der Sparte Hardware einen Punktesieg erlangt hat, ist Sony keineswegs geschlagen. Der Vorsprung auf die Konkurrenz ist riesig. Von der Playstation 4 wurden bis dato über 60 Millionen Stück verkauft. Microsoft konnte lediglich 33 Millionen ihrer Xbox One an den Mann bringen. Doch im Videospielgeschäft geht es – wie Eingangs gesagt – um Games. Zwar bemüht Microsoft alle Jahre wieder Superlative wie «das beste Spiele-Line-up aller Zeiten», dieses Jahr soll es das «vielfältigste» sein. Tatsächlich deckt die präsentierte Auswahl diverse Genres ab, aber die Vielfalt mag nicht darüber hinweg täuschen, dass die grossen Exklusiv-Titel schwach vertreten sind. Zwar erscheint nun sieben Jahre nach dem zweiten Teil am 7. November 2017 endlich Crackdown 3 und auch Forza Motorsport 7 ist den Xbox- bzw. Windows-10-Spielern vorbehalten, aber ansonsten fehlen die grossen Titel.
Wider erwarten blieb eine Ankündigung von einer weiteren Halo-Folge aus. Erst nach der Pressekonferenz wurden Gerüchte bestätigt, dass Halo 6 in Entwicklung sei, aber noch nicht bereit für eine öffentliche Vorführung an der E3 2017.
Sony hat mehr Exklusiv-Titel, aber erst 2018
Etwas besser als bei Microsoft sieht es bei Sonys Playstation aus, aber auch die Japaner blieben den grossen Coup schuldig. Der neue Trailer des göttlichen Massakers God of War verspricht weiter ein episches Abenteuer. Doch nach wie vor bereit die Vorstellung von Papi Kratos Mühe. Ist der Gott des Krieges nicht gross genug? Hinzu kommt der lurchige Look des Sohnes. Erinnerungen an das Intro von Horizon Zero Dawn und dessen hölzerne Dialoge werden wach.
Die Qualität der Animationen des unterkühlten Noir-Cyberthrillers Detroit: Become Human hingegen ist beeindruckend. Etwas anderes ist auch von Quantic Dream nicht zu erwarten, die hinter Titeln wie Heavy Rain und Beyond: Two Souls stehen. Schwierig ist es zum jetzigen Zeitpunkt abzuschätzen, wie viel Spass das neuste Werk von David Cage machen wird. Das Potenzial als visuell beeindruckende Kopfgeburt zu enden, ist augenfällig. Doch man muss auch den Mut wiederum bewundern, eine Computer animierte Figur im Trailer ein A-capella-Intro singen zu lassen.
Weit weniger anämisch wie «Detroit: Become Human» fällt das Zombie-Szenario Days Gone aus. Der neue Trailer zeigt klare Referenzen an die TV-Erfolgsserien The Walking Dead und Sons of Anarchy. Das an der Sony-Pressekonferenz Gezeigte weckt die spielerische Neugier, aber mahnt zu Geduld: Die meisten Spiele haben noch kein oder ein auf 2018 festgelegtes Veröffentlichungsdatum.
Neue viel versprechende Franchises
Die von Seiten der Konsolenanbieter ausgebliebenen Überraschungen lieferten dafür die verschiedenen Game-Verlage, die auch stark in die Weiterentwicklung von Virtual-Reality-Erlebnissen investieren. Neben den bekannten Bestsellern wie Fifa, Need for Speed & Co. zeigte Electronic Arts frische Titel wie das epische Action-Rollenspiel Anthem , das nächste Bioware-Werk. Die ersten Gameplay-Minuten legen nahe, dass es sich um EAs Antwort auf Destiny handelt. Anthem präsentiert sich als ein Mix aus dem Bungie-Bestseller, Titanfall und etwas Far Cry. Doch wie heisst es so schön: Gut geklaut ist besser als schlecht erfunden.
Während Anthem «more of the same, only slightly different» – wenn auch auf grafisch höchstem Niveau – verspricht, geht das Kooperationsspiel The Way Out neue Wege (kein Scherz): Es kann nur zu Zweit gespielt werden. Dazu braucht es jemanden, der gleich an der selber Konsole mitspielt oder online Unterstützung bietet.
Piraten, Virtual Reality und eine Portion Horror
Mit diversen Neuankündigungen wartete Ubisoft auf. Der grösste Spieleverlag Europas präsentierte erstmals das Online-Marine-Spiel Skull & Bones, in dem Piratenfantasien freien Lauf gelassen werden kann. Der Trailer zeigt deutlich, dass die involvierten Ubisoft-Studios ihre Erfahrungen aus Assassin’s Creed: Black Flag haben einfliessen lassen. Ho, ho, ho und eine Buddel voll Rum…
Im Raumschiff-Shooter Starlink: Battle for Atlas wird mit Hilfe von kleinen Fliegermodellen, die umgebaut werden können, eine physische Komponente ins Spiel gebracht. Auf den ersten Blick erinnert die Idee natürlich an Skylanders, aber Starlink treibt das Konzept weiter. Während die Skylander-Figuren starr sind, können die Starlink-Raumschiffe entsprechend den gewünschten Anforderungen modifiziert werden. Man hört die Kassen der Spielwarengeschäfte schon förmlich klingeln – katsching, katsching. Erfreulich ist auch, dass die Modelle direkt an die Controller angeschlossen werden und kein umständliches Portal mehr einen USB-Port belegt.
Noch nicht viel wurde vom VR-Psychothriller Transference verraten, den Ubisoft zusammen mit Elijah Woods («Lord of the Rings») Firma Spectravision entwickelt. Gemäss Pressemitteilung von Ubisoft sollte unter der URL www.transference.com mehr zu erfahren sein. Doch dort erfährt man bloss, dass die Domain zu kaufen ist. Transference ist ein weiteres Beispiel für die Verschmelzung der Game- und Filmindustrie. Wenn die Zusammenarbeit auf dieser Ebene beginnt, ist zu hoffen, dass gehaltvoller Inhalte das Ergebnis sind als seelenlose Adaptationen.
Während man wohl noch eine ganze Weile auf den VR-Mindfuck von Transference warten muss, kann bereits im November in die fantastische VR-Welt von The Elder Scrolls V: Skyrim abtauchen – Bethesda sei dank. Natürlich haben die bösen Buben noch härtere Kost auf Lager. Doom VFR dürfte für den einen oder anderen Herzkasper gut sein. Wer es noch sossiger mag, wählt die Fortsetzung des Horrortitels «The Evil Within 2» – zum Glück nicht als Virtual-Reality-Game erhältlich. Der Trailer ist übrigens ein kleines Meisterwerk, das selbst Nicht-Horror-Fans entzücken sollte.
Nintendo macht mit Microsoft gemeinsame Sache
Sein gelungenes Comeback feiert Nintendo mit der Pflege ihrer grossen Marken auf der Konsole Switch, die Anfang Jahr erschien. Alte Bekannte wie Metroid Prime, Mario, Kirby und Pokémon erhalten neue Abenteuer. Erfreulich für Nintendo ist die Unterstützung durch Drittanbieter wie Electronic Arts, die Fifa 18 veröffentlichen werden oder das witzige Kampfspiel Mario & Rabbids Kingdom Battles, das Super Mario gegen die bekloppten Hasen von Ubisoft antreten lässt. Eine ganze besondere Form der Zusammenarbeit verbindet Nintendo mit Microsoft, die Minecraft ab diesem Sommer für andere Plattformen öffnen. So können künftig Nintendo Switch-Spieler zusammen mit Xbox-, PC- und Handy-Spielern in der gleichen Minecraft-Welt agieren.
Dieser Charme-Offensive Microsofts aber widersetzt sich Sony nach wie vor. Die Argumentation ist ein fadenscheiniges PR-Konstrukt und vermag die Arroganz, mit der bisweilen der amtierende Platzhirsch auftritt, kaum zu verhüllen. Dabei geht vergessen, dass Sony nach dem Erfolg von der Playstation 2 von einer ähnlichen Hybris getrieben war. Die vor dem Start der Playstation 3 präsentierten Zahlen versprachen eine nahtlose Fortsetzung der Erfolgsgeschichte, doch die umständliche Architektur der Konsole machten das Leben der Programmierer schwer, ganz anders Microsofts Xbox 360, die als besonders zugänglich galt. Die Folge war, dass in Sachen Verkaufszahlen die Playstation 3 (87 Mio. Einheiten) die Xbox 360 (86 Mio. Einheiten) nur um Haaresbreite schlug.
Fazit: Für Überraschungen war die diesjährige Electronic Entertainment Expo nicht gut, dafür zeigen sich die Strategien der Anbieter deutlicher: Microsoft verfolgt auch in der Game-Welt Offenheit gegenüber anderen Mitstreitern und holte den ehemalige Konkurrenten Nintendo zu Gunsten der Spieler an Bord von Besteller Minecraft. Von Crossplattform-Modellen will hingegen Marktführer Sony nichts wissen. Dass sie damit die über 60 Millionen Playstation-4-Käufer vor den Kopf stossen, scheint sie nicht zu kümmern.