Falsche Lesbierinnen – Die Historie einer Männerfantasie

Wenn Dian Hanson, die Grande Dame der Erotik im Dienste des Taschen Verlags, zur Tat schreitet, gibt es keine halben Sachen. Sie mag es üppig. Da werden nicht mickrige Bändchen veröffentlicht, sondern wahre Wälzer zusammengestellt. Das neuste Œuvre Lesbians for Men geht der Frage auf den Grund: «Wieso wird die männliche Fantasie vom Anblick zweier Frauen, die einander küssen und befummeln, derart stimuliert?»

Sex. Nirgends – ausser beim Humor vielleicht – kommen persönliche Präferenzen so deutlich zum Ausdruck wie beim Sex oder eben dem, was man erotisch anziehend findet. Mit zu den Eigenarten der Männerwelt gehört, dass sie Frauen, die Frauen lieben, die miteinander herumknutschen, sich küssen, fummeln und weiteres mehr – pardon, my french – geil finden.

Diesem ansprechenden Thema der falschen Lesbierinnen hat sich Dian Hanson, die Grande Dame der Erotik im Dienste des Taschen Verlags, in ihrem neusten Magnum Opus Lesbians for Men angenommen. In der gewohnten Üppigkeit von Big Book of Breasts (leider inzwischen nur noch als The little Big Book of Breasts erhältlich) et al tritt diese Sammlung an, einen Erklärungsversuch, aber vor allem historisches Anschauungsmaterial zu liefern.

So erfährt man(n), dass dieses Faible keineswegs neu ist. «In der klassischen griechischen Kultur wurde sie (Sapphos) als Männer verschlingende Sexhungrige mit einer besonderen Leidenschaft für Fellatio beschrieben. ‘Lesbisch’ war in jenen Zeiten der Code für eine Frau, die Blowjobs liebte und so scharf darauf war, dass sie sich, wenn alle Seemänner auf dem Meer unterwegs waren, mit ihrem Mund sogar über eine Frau hermachte. Und das entspricht genau jener männlichen Fantasie, die Frauen verdeutlichte, dass sie einen Mann in den Wahnsinn treiben konnten, wenn sie eine andere küssten», schreibt Hanson in ihrer Einleitung.

Religiöse Fanatiker und Faschisten räumen auf

Gemäss Dian Hanson ist die erste Fotografie, auf der zwei Frauen, «es miteinander treiben», Mitte des 19. Jahrhunderts zu finden. Damals florierten die Fotostudios in Paris und beteiligten sich munter am Handel verbotener Nacktaufnahmen. Da Napoleon die Prostitution für legal erklärt hatte, konnten Fotografen problemlos Damen finden, die sich miteiander vor der Linse verlustierten. Dieser Umstand führte dazu, dass die so genannten «französischen Postkarten», die gar nie für den postalen Versand vorgesehen waren, in der entspannten Atmosphäre der 20er Jahre einen ersten Produktionshöhepunkt erreichten.

Dem Pendel der Zeit entsprechend war Ende der 20er Schluss mit lustig. In den USA griffen die Puritaner hart gegen alles Unsittliche durch. In Deutschland fegten die Faschisten Schlüpfriges weg. Die Nazis machten der «entarteten» Kunst ein Ende und manch jüdischer Fotograf wurde deportiert und überlebte die Zeit im KZ nicht.  Interessant ist dabei zu sehen, wie nahe sich religiöse und politische Fanatiker in solchen Momenten sind.

Sex please, we’re British

Während die Kriegsjahre von Zurückhaltung und patriotischen Pin-ups geprägt waren, wurden in den Aufbaujahren frivolere Töne angeschlagen. Hierbeit tat sich erstaunlicherweise Grossbritannien hervor und zwar mit Action und Umschnalldildos. Dian Hanson sieht diesen ziemlich unbritischen Ausreisser in der langsamen wirtschaftlichen Erholung des Landes und natürlich auch im «angeborenen Pep britischer Frauen» begründet. Doch nicht nur Englands Wirtschaft erlangte Schwung, sondern auch die Publikation von Groschenromanen, die sich immer mehr in feuchtere Gebiete vorwagten.

Jack the Binder nennt sich der Fotograf dieser beiden Fotografien.

Die Strapse lang ziehen: In den Fünfzigerjahren kehrten die falschen Lesbierinnen zurück.

In den Siebzigern sahen manche Vorkämpferinnen der Frauenbewegung in der lesbischen Liebe «keine Frage sexueller Vorlieben (…), sondern eine politische Entscheidung, die jede Frau treffen muss, will sie als Frau akzeptiert werden und auf diese Weise die männliche Vorherrschaft beenden».

Bisexualität als natürliche weibliche Verfassung

In eigener Sache schreibt Dian Hanson: «1971 war ich 19, naiv und frisch mit einem Mann verheiratet, der das ganz Lesbierinnending so verlockend fand, dass er mich, in der Hoffnung auf bisexuelle Abenteuer, zu einem Kurzhaarschnitt und zur Vermännlichung meiner Garderobe überredete. Ich war nicht allein. In meinem gesamten Umfeld gab es Frauen, die in ähnlicher Weise in Richtung Mösen geschubst und manövriert wurden, zuerst durch den Feminismus, dann von den Männern oder Freunden, der aufkommenden Pornoindustrie, sebst von Wissenschaftsorganisationen, die begannen, regelmässig über Bisexualität als der natürlichen weiblichen Verfassung zu berichten. Und auf Natürlichkeit standen wir damals alle.»

Die Natürlichkeit zeigte sich auch in der Körperbehaarung wieder. Bis auf die Oberschenkel wucherten die scheuen Ausläufer des üppigen Buschs, der sich sich wie ein Dschungel um die vaginale Grotte legte. Dem Betrachter wurde klar signalsiert: Von hier an wird’s gefährlich! Nur in raren Fällen wurde der «Müffelmopp» getrimmt, denn die Natur musste ihren Lauf nehmen. Erst in den neunziger Jahren, wohl geprägt von der fortschreitenden Professionalisierung der US-Pornoindustrie, wurde das Ménage der falschen Lesbierinnen auf Hochglanz poliert. Im Zeitalter von Weichzeichner und Photoshop wurde dem Bären Einhalt geboten.

Wasserspiele, inszeniert von einem unbekannten Fotografen.

Spass im Garten – die Siebzigerjahre zeigten sich naturverbunden.

 

Aalglatte Ästhetik

Jungfräulich glatt zeigen sich die Modells, dafür mit silikonisierten Oberweiten, die keinen Zweifel an der erwachsenen Weiblichkeit lassen. Gelegentlich schafft es noch ein «landing strip», gewissermassen als ertastbarer Wegweiser, in die Körperlandschaften. In Hansons Auswahl der jüngeren Jahre bis heute fällt ein verstärkter Hang zur Ästhetisierung und Inszenierung der vermeintlichen Lesbenliebe auf. Sie mag durchaus noch aufreizen und antörnen, aber es ist mehr Aktfotografie als eigentlicher Akt.

Dies fällt besonders in den die beiden Kompositionen des Schweizer Modefotografen Bruno Bisang auf. Er hat den weiblichen Körpern die Farbe und damit auch die Fleischlichkeit entzogen. Er inszeniert die beiden Frauen als einander verschlungene Kriegerinnen der Weiblichkeit. Ihre perfekten Körper scheinen aus Metall gegossen, aber dennoch verströmen die beiden Bilder eine unglaubliche Erotik. Sie scheinen förmlich zu vibrieren.

Göttinen wie aus Stahl gegossen vor der Linse von Bruno Bisang.

Weibliche Perfektion: Der Schweizer Fotograf Bruno Bisang erhebt Frauen zu makellosen Göttinen.

Mit Lesbians for Men ist Dian Hanson einmal mehr eine Sammlung gelungen, die das voyeuristische Auge befriedigt, aber dank profunder Recherche auch eine historische Revue männlicher Fantasie der letzten Dekaden aufzeigt. Lesbians for Men – ein nettes Geschenk für den besten Freund – und vielleicht auch dessen Frau…

Dian Hanson, Lesbians for Men, Taschen, 288 Seiten

Share Button

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.