Pengu: «Nach zwei, drei Kills wird man schnell übermütig.»

Niclas “Pengu” Mouritzen gilt als bester Rainbow-Six-Siege-Spieler der Gegenwart. Vor dem Sieg des Six Major Paris Turniers konnte ich mit dem sympathischen Spitzenspieler kurz über seine Karriere, die Wichtigkeit seines Teams und seine Skills sprechen.

Der Ruf, der Niclas “Pengu” Mouritzen voraus eilt, ist nicht der beste. Der junge Däne hat aber dazu gelernt und erweist sich heute als offener, sympathischer Gesprächspartner, der sehr wohl auch seine Grenzen erkennt. Im Gespräch, das nach dem Sieg im Viertelfinale stattfand, erklärt der spätere Gewinner des Six Major Turniers in Paris warum er sich gegen Counter-Strike: Global Offensive und für Rainbow Six Siege entschieden hat, welche Skills ein Siege-Spieler mitbringen muss und wie sich das Team auf die grossen Events vorbereitet.

Warum spielst du Rainbow Six Siege und nicht Counter-Strike: Global Offensive?
Ich habe mich für RSS und damit gegen CSGO entschieden, weil ich die Wahrscheinlichkeit an die Spitze zu kommen betrachtete. Bei CSGO sind die Chancen gering. Dort gibt es Legenden, die seit sechs Jahren spielen, da hat man keinen Stich. Wenn ein neues Spiel auf den Markt kommt, haben alle die gleiche Ausgangslage, um an die Spitze zu kommen. Alle sind Amateure. RSS ist ein strategischer, taktischer, langsamer Shooter. Das entspricht mehr meinem Stil.

Langsam?
Das war einmal. Es hat sich stark verändert. Counter-Strike ist sehr Team-Deathmatch basiert, und ich bin auch nicht sonderlich gut mit Zielen, aber ich bin schlau und brauche eine Herausforderung. Das hoffe ich zumindest. Das strategische Element eröffnet so viele Möglichkeiten das Game zu spielen, darum habe ich es gewählt.

Macht durchaus Sinn. Wie bereitet sich dein Team auf ein Turnier wie Six Major vor?
Früher gingen wir zum Bootcamp von Penta Sports in Berlin. Dieses Mal mit dem Organisationswechsel machten wir jeweils eine doppelte Scrim-Runde (Trainingsrunde): Training beginnt um 14 Uhr für vier Stunden, zwei Stunden Pause – Duschen, Essen, Erholung – dann weitere vier Stunden spielen. Am Anfang und am Ende des Tages wird besprochen, wo wir stehen und was haben wir an diesem Tag gelernt. Das machen wir zehn Tage lang.

Rainbox Six Siege verlangt nach einem eingespielten Team.

Von seinem Team hat Pengu in den letzten Monaten viel gelernt – nicht nur spielerisch.

Wie geht man mit dem Druck und dem Adrenalin um, die sich während des Spiels aufbauen. Kannst du danach überhaupt schlafen?
Man schläft bestimmt nicht. Es ist fast ein Schockzustand. Meine Beine sind noch ganz zittrig. Man fährt schon runter, aber es braucht eine Weile. Besonders sind Momente, in den man zwei, drei Kills in eine Reihe stellt. Dann wird man richtig übermütig und spielt zu aggressiv, wofür man meist bezahlt. Ein solches Momentum in den Griff zu bekommen, ist nicht einfach. Ich habe auch jetzt den Eindruck, dass ich schneller spreche als sonst, aber ich bin mir nicht sicher. Es braucht viel, um auszukühlen. Ich bin froh, dass wir eine frühe Runde hatten heute. Da kann ich später etwas essen und abends auch wirklich schlafen. Nach einem Turnierfinale ist an Schlaf nicht zu denken. Es ist nicht, weil wir Party machen, sondern das Adrenalin.


Es wird einen schlaflose Nacht für Pengu und sein Team geben, die Evil Geniuses mit 6:2, 6:2 und 6:2 deklassiert haben.

Das habe ich mir auch gedacht. Die NHL-Spieler sind auch völlig wach nach einem Match und brauchen Schlafmittel, um wieder herunterzukommen. Das finde ich problematisch.
Sicher. Besonders wenn es sich über eine längere Zeit erstreckt, dann kommt das nicht gut.

Du spielst seit über zwei Jahren als Profi. In dieser Zeit ist die E-Sports-Szene förmlich explodiert. Du bist auf Twitch und Youtube präsent, im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Habt ihr da auch Coaching, wie man damit umgeht?
(lacht) Das hätte ich brauchen können, aber ich musste es mir selber beibringen. Ich habe oft den falschen Weg eingeschlagen und Fehler gemacht, die ich teils bereue. Man kommt vom einen auf den nächsten Augenblick an einen schlechten Ort mit dem Publikum, dem Team und mit den Sponsoren. Ich habe mit 18 Jahren die Schule an den Nagel gehängt. Ich war frech, sehr selbstsicher. Heute habe ich mit Shas, Thomas heisst er eigentlich, einen tollen Coach. Er hilft mir auch bei mentalen Dingen und zeigt mir alternative Formulierungen auf, die neutraler sind, als meine Ausdrucksformen. Er gibt mir nicht den Schlüssel zur Türe, aber er hat mir gezeigt, dass es einen gibt. Ich muss meinen Weg selber finden. Ich glaube aber, dass wir schon einiges weiter sind und wir stolz darauf sein können, wofür wir stehen. Es ist Teil der Professionalisierung.

Wie schaut es mit physischem Training aus?
Ich mache mehr Ausdauertraining. Krafttraining ist nicht mein Ding. Ich will nicht an Gewicht zulegen. Es geht auch darum, gesünder zu leben. Ich trinke nur noch Wasser. Wenn ich Zucker brauche, dann Wasser mit Geschmack und Zucker, aber keine Cola mehr. Ich versuche eine «saubere» Diät zu halten, mit Granola-Riegeln und so während der Turniere, aber zwischendurch rutscht halt schon mal eine Pizza oder so rein. Ich habe einen schnellen Metabolismus und bin ziemlich fit, darum muss ich mich da nicht sonderlich reinhängen, aber ich gehe rennen, mache Liegestützen usw. weil ich das Gefühl mag, etwas zu tun. Wenn man den ganzen Tag sitzt, neigt man zu einer schlechten Haltung.

Auf der mentalen Seite? Wie gehst du damit um, dass Millionen die Matches online verfolgen und live in der Halle ein paar Tausend?
Anfangs habe ich alles um mich herum wahrgenommen. Aus dem Augenwinkel sah ich Fotografen und dachte: «Oh, nein, der will ein Bild von mir schiessen!», und ich versuchte mich hinter dem Monitor zu verstecken. Heute kann ich mich voll auf das Spiel konzentrieren. Für mich gibt es nur die Handlung auf dem Monitor und meine Team-Kollegen auf beiden Seiten. Wir haben noch kein mentales Training von Sportpsychologen erhalten, aber ich hoffe, dass wir das bei G2 einführen können. Wir fanden aber viel Rückhalt und Vertrauen in unserem Team. Fabian und Joonas kommen aus traditionellen Sportarten wie Landhockey und Fussball. Fabian war schon beim Landhockey in einer Führungsposition und hat problemlos eine Vaterrolle übernommen. Er hat die Schuld auf sich genommen, damit ich mich aufs Spiel konzentrieren konnte. Wenn jemand auf Goga losging, hat Fabian etwas Doofes gepostet und die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Wir jungen Spieler brauchten diesen Schutz und ich war damals der jüngste im Team. Ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte und hatte Glück mit meinen Kollegen.

Von wegen Kollegen. Wie kommt man mit Wechseln im Team klar?
Unser neustes Mitglied Kantoraketti brauchte lediglich 20 Minuten, um sich ins Team einzufügen. Er schlug den gleichen Weg wie sein Vorgänger ein, aber auf eine bessere Weise. Wenn aber ich oder Fabian ausfallen würden, die eine tragende und organisatorische Rolle innehaben, dürfte es schwieriger werden. Wir versuchen natürlich eine Funktion mit einer ähnlichen zu ersetzen. Wir können keinen aggressiven Spieler in eine passive Rolle drängen. Das kommt nicht gut.

G2 schnappt eine Map nach der anderen den Evil Geniuses weg.

Am Tag des Finals bewies G2, dass es das stärkste Siege-Team der Welt ist.

Bei der Qualifikation fürs Halbfinale ist mir aufgefallen, dass dein Team zuerst in der Angreiferrolle die Map gewonnen hat, aber dann als Verteidiger etwas unter Druck kam. Geschieht das öfter?
Bei der Verteidigung ist man wie verankert. Man hält am Anker, der Bombenposition, fest,. Das ist meine bevorzugte Rolle, sobald ich merke, wo die Gegner sich bewegen. Als Angreifer hat man keinen Anker, man muss eindringen. Es ist nicht einfach, diesen Wechsel einfach so (schnippt mit dem Finger) zu machen. Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Beständigkeit sind die Schlüsseleigenschaften in Siege. Das gesagt: Ich bin kein sonderlich guter aggressiver Spieler im Vergleich zu meinen «aggressiven» Mannschaftskollegen. Ich kann einen guten Job als passiver Spieler in einer aggressiven Rollen machen, aber wenn ich mich mit Kanto vergleiche oder mit Joonas dann habe ich keinen Stich. Sie helfen mir besser zu werden und wenn ich beim «Anker legen» ausscheide, können sie meine Aufgabe übernehmen und sie zu 80 Prozent erfüllen. Wir lernen genug von einander und noch bei Penta Sports haben wir immer wieder bei unseren Aufgaben rotiert. Wir können alle die verschiedenen Rollen übernehmen, wenn auch mit unterschiedlichen Charakteristika und leicht anderen Herangehensweisen.

Wenn man die Fähigkeit betrachtet, die es braucht, um ein Spiel wie Siege erfolgreich zu spielen – Geschwindigkeit, Kommunikation, Übersicht, Orientierungsgefühl, Hand-Augen-Koordination etc. –, hast du das Gefühl, dass sich diese Skills auch im Alltag nutzen lassen. Es geht hier um die Metaebene, die inhaltliche?
Bei Piloten und Chirurgen hat man gesehen, dass sich ihre Fähigkeiten verbessern, wenn sie Videogames spielen. Das muss aber nicht auf einer kompetitiven Ebene sein. Bereits Spielen zum Vergnügen kann die Skills in Sachen Kommunikation, Problemlösungskompetenz, Reaktionsfähigkeit, Hand-Augen-Koordination, Multitasking verbessern. Fremdsprachen kann man auch noch dazu zählen. Ich habe mir selber Englisch beigebracht und sprach es mit 11 Jahren flüssig. Es kommt aber sehr darauf an, wo man die Fähigkeiten einsetzen kann. Ich denke, dass bei der kommenden Generation von Simulationen mit VR Alltagssituationen überzeugend dargestellt werden können und man von ihnen lernen kann. Die Zukunft sieht rosa aus.

 

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