Nach dem absoluten Überflieger «Angry Birds» und dessen systematischer Ausschlachtung tat sich das finnische Game-Studio Rovio sehr schwer damit, einen ebenbürtigen Nachfolger zu präsentieren. Nun scheint es, mit Nibblers aber so weit zu sein.Mit «Angry Birds» sorgte das Studio Rovio für das finnische Game-Wunder. Alle Welt blickte nach dem einstigen Nokia-Land und zeigte sich erfreut über dessen Turnaround. Beseelt von einem innovativen Geist und unterstützt durch ein weitsichtiges Wirtschaftsförderungsprogramm des Staates hat sich Finnland in der Welt der interaktiven Unterhaltung einen führenden Platz geholt. Aushängeschild war stets Rovio, die mit «Angry Birds» einen unvergleichlichen Erfolg landeten. Der absurde Kampf der wütenden Vögel gegen die fiesen Schweine drang sogar bis ins Star-Wars-Universum vor und setzte dem Physik-basierten Puzzlespiel die kommerzielle Krone auf. In diversen Ländern wurden gar Angry Birds Theme Parks eröffnet, und H&M verkaufte die grobschlächtigen Vogel-Visagen den Kids auf T-Shirts, Pantoffeln und Pyjamas.
Doch seit 2009 vermag Rovio, keinen vernünftigen Nachfolgetitel auf den Markt zu bringen. 2012 wurde halbherzig Amazing Alex lanciert. Der Titel war nicht schlechter als andere Physik-basierte Spiele, aber auch nicht wirklich besser. Auf der Website von Rovio wird er wohl deshalb auch nicht mehr geführt.
Diese Durststrecke blieb nicht ohne Folgen, und so verwundert es kaum, dass Rovio kürzlich ankündigte, fast 40 Prozent seiner Mitarbeiter zu entlassen – nachdem bereits im vergangenen Jahr 110 Angestellte den blauen Brief erhalten hatten. «Eine schlankere und agilere Rovio ist absolut notwendig, wollen wir in Zukunft vorwärts kommen», sagt CEO Pekka Rantala. Es werden sämtliche Standorte betroffen sein. Einzig die USA und Kanada, wo am «Angry Birds»-Film gearbeitet wird, bleiben von den Einschnitten verschont.
Grosse Hoffnungen setzt Rovio natürlich auf «Angry Birds 2», das Ende Juli veröffentlicht wurde. Besonders in Asien wollen die Finnen ihre künftigen Umsätze machen. Rund ein Drittel der AB2-Downloads erfolgten in China, über 500’000 in Indien. Nach einem Monat wurde das Spiel bereits 50 Millionen Mal heruntergeladen. Erwartungsgemäss folgt es einem Freemium-Modell und setzt mehr auf Klamauk und Krawall als die Vorgänger. Bei einer jüngeren Spielerschaft dürfte dieser Ansatz durchaus verfangen, die älteren Semester werden wohl eher auf die musikalische Untermalung verzichten und diese ausschalten.
Während AB2 «more of the same – only slightly different» liefert, geht Rovio mit dem jüngst veröffentlichten Nibblers einen für ihre Verhältnisse erfrischend anderen Weg. In diesem Freemium-Game kämpfen nicht Vögel gegen Schweine, sondern Früchte fressende Fische gegen renitente Reptilien. Das Spielprinzip erinnert stark an Candy Crush Saga von King. Oder anders gesagt: Gewisse Puzzles sind reine CCS-Clones.
Das Erstaunliche dabei ist, dass obschon die Problemstellungen so bekannt sind, sie ihre faszinierende Wirkung nicht verlieren. Wie die Fische zu den Früchten wird der Spieler in die Nibbler-Welt gezogen. Nebst den üblichen Feedback-Mechanismen wie Punkte und verspielte Animationen setzt Nibblers wie die meisten Freemium-Titel auf eine Form der intermitierenden Verstärkung. Sprich: Ein gewisses Zufallselement gehört neben taktischem und strategischem Geschick auch zum Erfolg. Diese Unberechenbarkeit führt zu einer stärkeren Bindung an das Spiel, was in manchen Fällen problematisch sein. Bei Freemium-Games ist kein Investitionslimit festgelegt, und man muss diszipliniert gegen die Verlockung ankämpfen, Geld in das Puzzlespiel zu stecken.
Auch wenn Nibblers von Rovio in mancher Hinsicht ein schamloser Candy-Crush-Clone ist, Spass macht das Game alleweil und lässt einen immer wieder aufs Neue versuchen und scheitern. Das Konfliktelement zwischen Fischen und Reptilien ergänzt das bekannte Spielprinzip um eine Ebene, aber von Innvation mag an dieser Stelle niemand sprechen. Zu hoffen ist aber, dass der ziemlich sichere Erfolg von Nibblers neue Impulse bei Rovio auslösen wird und das Entwickler-Team wieder mehr Selbstvertrauen fast und nicht weiter Feder lassen muss.
